Dieser Überblick über sächsische Bahnhofsgebäude ist eine Ergänzung zur Ausstellung „Tore zur Welt“ im Schauplatz Eisenbahn Chemnitz. Wir zeigen Ihnen hier beispielhaft Bahnhofsportraits aus der Ausstellung und ergänzen diese um weitere Bahnhöfe, die nicht in der Ausstellung gezeigt werden konnten. Im Interview mit unserem Fotografen Jörg Dietrich, geht dieser auf die Motivation zum Projekt ein.
Als Pionierland der Eisenbahn ist Sachsen Heimat einer ganzen Reihe bemerkenswerter Bauzeugnisse der Eisenbahngeschichte. Bahnhöfe waren die Schnittstelle zwischen dem Fortschritt der Industrialisierung, welcher aus den Metropolen bis in die Kleinstädte gelangte, und diesen Städten. Sie wurden zum Tor zur Welt und damit auch zum repräsentativen Zugang jedes Reisenden zur Stadt – folglich erfuhren Bahnhöfe bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auch in architektonischer Hinsicht besondere Aufmerksamkeit.
Chemnitz, Hauptbahnhof in langgestreckter Seitenfront
Für unsere Ausstellung wurden charakteristische Beispiele sächsischer Bahnhofsarchitektur ausgewählt. Diese zeugen von der baukünstlerischen Vielfalt und dokumentieren die Bahnhöfe in ihren ganz unterschiedlichen Erhaltungs- und Nutzungsstadien: traditionell als Bahnhof oder in vielfältiger, teils fremder Nutzung, aber auch im Verfall. Damit versteht sich die Ausstellung als Plädoyer, sich dieses wertvollen Bauerbes anzunehmen und es als Herausforderung für die Stadtentwicklung wahrzunehmen
Von den vier großen sächsischen Bahnhöfen zeigen wir die Hauptbahnhöfe Leipzig und Chemnitz sowie Dresden-Neustadt. Der Leipziger Hauptbahnhof gilt mittlerweile als Musterbeispiel eines modernen Einkaufbahnhofs, beeindruckt aber vor allem auch als Baukörper. Er war einst größter Bahnhof der Welt und wird durch eine streng symmetrische, 300 Meter lange Hauptfassade geprägt, deren zwei Hälften jeweils für die Preußische und die Sächsische Staatsbahn entstanden. In Dresden-Neustadt präsentiert sich das Bahnhofsgebäude im Stile reduzierten Neobarocks und Neoklassizismus und mit Charakteristika der aufkommenden Reformarchitektur.
Leipzig, Hauptbahnhof
Das älteste erhaltene Bahnhofsgebäude Sachsens steht noch heute in Niederau bei Meißen. Der heute in Privatbesitz befindliche Gebäudekomplex besteht aus zwei Gebäuden in Fachwerkbauweise und im Schweizer Stil. Der Schweizer Stil ist generell unter Bahnhofsgebäuden weit verbreitet und findet sich in unserer Ausstellung auch als Inspiration im Bahnhof Tharandt oder in ländlichen Bahnhöfen wie in Barthmühle (Vogtland) oder Oybin. Letzterer ist auch ein schönes Beispiel für die touristische Nutzung von Bahnhöfen in Naherholungsregionen.
Bahnhof Niederau, Bahnhof Barthmühle/Vogtland
Der dominierende Bahnhofstypus in Sachsen sind breit gelagerte Gebäude mit zwei dominierenden Kopfbauten, welche dann ebenfalls den Schweizer Stil andeuten. Zu diesen zählen in der Ausstellung die Bahnhöfe Oschatz (aktuell saniert für Nutzung durch Zoll und Döllnitzbahn) und Stollberg/Sachsen (heute Kultur-Bahnhof), darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Beispiele u.a. in Oelsnitz/Erzgebirge oder in alternativer Ausführung in St. Egidien. Noch breiter gelagert mit drei dominierenden Baukörpern sind z.B. der ursprünglich neogotische Bahnhof Freiberg/Sachsen oder der in Neorennaisance mit Schweizer Giebeln ausgeführte Bahnhof Geithain (beide mittlerweile mit abgespeckter Fassade).
Bahnhof Stollberg/Sachsen
Ein besonderes Beispiel für die frühe deutsche Bahnhofsarchitektur ist der Bayerische Bahnhof in Leipzig (Architekt Eduard Pötzsch). Viele dieser frühen Großstadtbahnhöfe wurden später durch monumentalere Neubauten ersetzt. Der Bayerische Bahnhof stammt aus dem Jahr 1844 und diente zunächst der Strecke Leipzig-Hof. Bis heute erhalten geblieben sind der Portikus sowie einer der beiden Seitenflügel.
Bayerischer Bahnhof Leipzig
Zu den weiteren portraitierten Bahnhofstypen zählen zum Beispiel die langgestreckten Inselbahnhöfe, die dann von einem kurzen Kopfbau als Repräsentationsseite flankiert werden. Dazu zählen der Bahnhof Döbeln (Titelbild) der in einem Gleisdreieck liegt, aber auch die Bahnhöfe in Glauchau und Reichenbach/Vogtland. Der Bahnhof in Werdau (Abriss ca. 2023-2025 vorgesehen) wiederum zeigt sich in einem architektonisch vielfältigen Mix verschiedener Zeitstile, geprägt durch einen historischen Hochbau (ca. 1860) und einen großzügigen Hallenanbau für die ehemalige Mitropa. In Crimmitschau steht ein Bahnhof im Stile italienischer Renaissance-Palazzi, der unter Denkmalschutz steht, aber noch auf eine neue Nutzung wartet. Reformarchitektur in typischer Heimatschutzprägung findet sich schließlich im Bahnhof Gaschwitz, einerm kleinen Ort im Süden Leipzigs, der aber ein großes Güterdrehkreuz war.
Bahnhof Gaschwitz
Schließlich entstanden auch im frühen 20. Jahrhundert neue Bahnhofsgebäude in Sachsen und so zeigen sich drei Baubeispiele in der Ausstellung im Stile der Neuen Sachlichkeit. Allen voran der Hauptbahnhof Zwickau, welcher 1833 einen durch zwei imposante Türme geprägten Vorgängerbau ersetzte. Ebenfalls bemerkenswert ist der 1928 errichtete Bahnhof Meißen, gestaltet vom Architekten des Dresdner Hygiene-Museums, Wilhelm Kreis. Schließlich ist der 1934 errichtete Bahnhof Flöha zu sehen, wiederum ein Beispiel für ein Bahnhofsgebäude das auf seine Sanierung wartet.
Bahnhof Meissen
Über das Thema Sächsische Bahnhofsbauten hinaus, finden Sie in unserem Archiv weitere Bahnhöfe national/international. Zudem konnten wir bei weitem nicht alle Beispiele sächsischer Bahnhofsbauten in der Ausstellung berücksichtigen. Daher fügen wir hier weitere Bahnhofsansichten (teils unvollendet) aus Sachsen an, von denen einige zudem unter preußischer Führung entstanden, z.B. in Delitzsch, Eilenburg, Großenhain oder Görlitz.
Bahnhof Delitzsch (oberer Bahnhof) – heute Theaterakademie Sachsen
Bahnhof Leisnig – Sanierung zu Musik- und Kulturbahnhof
Bahnhof Falkenstein/Vogtland (unvollendet)
Bahnhof Elsterberg/Vogtland (unvollendet)
Berliner Bahnhof in Großenhain, heute Privatwohnung
Waldheim
Görlitz
Glashütte, Grimma in Interview