Marktstraße Bad Tölz – Entwicklung und historischer Kontext
Die Tölzer Marktstraße ist das städtebauliche und funktionale Herz der Ortschaft und präsentiert sich als eindrucksvolles Ensemble spätmittelalterlicher und barocker Architektur. Sie wurde vermutlich bereits im 13. Jahrhundert von den Wittelsbachern als zentrale Markt- und Verkehrsachse angelegt, flankiert von der Tölzer Burg und einer Isarquerung – klassische Elemente wie Fluss, Straßenübergang und Burg bildeten die ideale Grundlage für die Siedlungsentwicklung. Aus ihr erwuchs die Marktgemeinde, die 1331 das Markt- und Bannrecht erhielt und sich entlang eines leicht gewölbten, circa 400 Meter langen Hügelrückens aufbaute.
Charakteristisch für die Bebauung sind die stattlichen Bürgerhäuser aus dem 15. bis 18. Jahrhundert, deren Fassaden mit Lüftlmalerei und Schablonenputz-Ornamenten geschmückt sind. Viele Häuser gehören bis heute ehemaligen Kaufleutefamilien und Patriziern. Bedeutende Gebäude wie die alte Posthalterei (1600), das Sporrerhaus, der Moralthaus, das Alte Rathaus mit seinem markanten Zwiebelturm (15. Jh.), das ehemalige Mädchenschulhaus (1588), das Marienstift oder das Pflegerhaus Kaspar Winzerers (1485) prägen das Straßenbild von Bad Tölz wesentlich mit. Unterhalb der Stadtpfarrkirche zeugen gotische Gewölbe im Keller des Metzgerbräus von der ältesten Burganlage, deren Reste bis ins Spätmittelalter reichen. Erst im Jahr 1770 stürzte das ursprüngliche Tölzer Schloss ein, woraufhin das neue barocke Rathaus auf dem Schlossplatz errichtet wurde.
Nach dem Verfall zahlreicher Altstadthäuser gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde durch das Engagement von Münchener Architekten – insbesondere Gabriel von Seidl – und lokaler Bürgerinitiativen eine umfassende Restaurierung in der Tölzer Marktstraße initiiert. Seidl orientierte sich an einem Aquarell des Jahres 1800, das die Straßenfassaden in ihrer barocken Farbpalette zeigt, und ergänzte sie mit Stuckreliefs und historischen Fassadenmalereien. So konnte das lebendige, farbenfrohe Erscheinungsbild der Tölzer Marktstraße bewahrt und gestärkt werden.
Tölzer Marktstraße 33–59 – Architektur und Fassaden im Detail
In dem im Panorama gezeigten höher gelegenen Abschnitt der nördlichen Marktstraße steigt die Straße merklich an und präsentiert ein eindrucksvolles Nebeneinander vielschichtiger architektonischer Stile. Der Straßenzug zeigt zahlreiche Putzbauten mit üppiger Fassadengliederung – allseitig mit Satteldächern und oft Kniestock ausgestattet, sowie meist barocker Gestaltung. Die im Panorama noch fehlenden vier Gebäude bis zum oberen Abschluss des Straßenzugs, sehen sie rechts unvollendet unter den Detailbildern.
Als herausragende Gebäude sehen wir von links nach rechts unter anderem:
Marktstraße 35 – Alte Hofapotheke
Ein dreigeschossiger traufständiger Satteldachbau mit Mezzanin und historisierenden Putzgliederungen. Anfangs 19. Jh. angelegt, zeigt er farbenfrohe Wandmalereien, die seine historische Bedeutung als Hofapotheke unterstreichen.
Marktstraße 39 – Gasthof Tölzer Hof
Ehemaliger Gasthof und heutiges Hotel in einem dreigeschossigen Flachsatteldachbau mit hohem Kniestock. Optisch geprägt durch neubarocke Fassadenmalerei von Heinrich Bickl aus 1928 und kunstvolle Stuckornamente, nutzt der Baukern aus dem 18. Jh. alte Substanz sinnvoll weiter.
Marktstraße 43 – Altes Rathaus
Das frühere Rathaus, heute Wohn- und Geschäftshaus, ist ein dreigeschossiger Flachsatteldachbau mit Giebelmedaillon und charakteristischem Zwiebeltürmchen sowie historischer Fassade. Der Kern stammt aus dem Jahr 1634, doch 1904–05 erfolgte ein stilvoller Umbau durch Gabriel von Seidl.
Marktstraße 45 – Sporrerhaus
Ein typisches bürgerliches Reihenhaus mit barocker Fassadenmalerei und stuckiertem Portal – auch erkennbar an Satteldach mit Kniestock. Der barocke Bau aus dem 18. Jahrhundert erhielt kürzlich restaurierte Malereien und zeigt das florierende Bürgertum der Zeit.
Marktstraße 57 – Moralthaus
Der dreigeschossige Flachsatteldachbau mit dekorativem Stuck, Erkern, Korbbogentor und Giebelfresko stammt im Kern aus dem 18. Jh. Er wurde 1921 umgebaut und zeigt ein Fresko von Joseph Hillerbrand (1921), welches sowohl moralische als auch ästhetische Motive thematisieren – Ausdruck des bürgerlichen Selbstverständnisses vergangener Epochen.